Die Kunst der Osterinsel, Copyright

Die neben den figuralen Schnitzereien zweite Hauptkategorie enthält vorallem Objekte, deren allgemeine Form durch den Verwendungszweck bestimmt sind. Typische Vertreter sind neben den Zeremonialpaddel Ao und Rapa , auch janusköpfige Stäbe ( Ua ) und Kriegskeulen (Toko-Toko bzw. Paoa ). Paddel wie Stäbe waren wohl als Rangabzeichen zu verstehen, während die sehr viel kürzeren Keulen in erster Linie als Waffe gedient haben dürften.

Toko-Toko


Toko-Toko sind kurze Kriegskeulen, die von den Rapanui bei Stammesfeten und Tötungsritualen eingesetzt wurden. Je nach dem Rang der Person waren diese kunstvoll geschnitzt und verziert. Ähnlich dem Zeremonialstab Ua ist beim toko-toko das eine Ende als Januskopf (Doppelkopf) ausgebildet. Er besitzt wie die figuralen Skulpturen eingelegte Augen aus Obsidian und Knochen, verlängerte Ohrmuscheln und ausgeprägte Tränensäcke ähnlich dem Kavakava-Typus. Das Haar bedeckt die gesamte Stirn und wird atypisch durch Furchen dargestellt, die über den gesamten Schädel laufen.


Über die abgebildete Figur :

Diese Kriegskeule ist die wohl interessanteste Schnitzerei in meiner Sammlung. Sie kam 1904 in den Besitz der Hotu- Familie und ist zweifelsohne eine der ältesten, noch existierenden Kriegskeulen. Aufgrund der Qualität der Schnitzerei und der aufwändigen Verzierungen gehörte der Stab wahrscheinlich einer hochgestellten Persönlichkeit aus dem 19. Jahrhundert. Der Toko-Toko war zuletzt im Besitz des Centro Cultural Orongo auf Rapa Nui, von dem ich es 2005 erwarb. Die Experten des Centro vermuten, daß die Keule aus dem in der Natur ausgestorbenen Toromiro geschnitzt wurde, wofür neben dem Alter und der enormen Dichte des Holzes vorallem die äußere, gelbe Farbe an der Nasenspitze und den Ohren sprechen würde. Vergleicht man den Stab mit wissenschaftlich nachgewiesenen Toromiro- Schnitzereien, so kann man zweifelsohne Ähnlichkeiten feststellen. Mir persönlich fällt allerdings bei meinem Toko-Toko die ungewöhnliche, längliche Maserung auf, die bei anderen Toromiro- Figuren nicht derart ausgeprägt ist. Eine zweifelsfreie Aussage könnte deshalb nur eine wissenschaftliche Untersuchung bringen, die aber zu kostspielig wäre.

Toko-toko , Copyright Karsten Rau

Toko-toko
Rapa Nui, Ende 19. Jahrhundert
Künstler : unbekannt
Länge : 64 cm
Material : Holz
Obsidian , Haiknochen
(Sammlung Karsten Rau)

Die Kriegskeule selbst ist wirklich ein Meisterstück. Nimmt man den Toko-Toko in die Hand, so fällt einem sofort die perfekte Ausbalancierung der Waffe auf. Der Stab liegt hervorragend in der Hand, der Griff ist aufgrund seines Alters fast schon ergonomisch glattpoliert. Und überhaupt, man merkt dem Holz mit jedem Zentimeter seine mehr als hundertjährige Geschichte an.

Toko-Toko , Copyright Karsten Rau
Toko-Toko (Kriegskeule)

Die eine Hälfte des ansonsten standardisierten Januskopfes weist als Besonderheit keine Augenhöhlen auf, was dem Gesicht einen schlafenden Eindruck verschafft. Im Gegensatz dazu sind die Augen des gegenüberliegenden Gesichts aus den für Rapa Nui typischen Knochen und Obsidian hergestellt. Das massige Keulenende ist als anthropomorpher Fisch mit Kiemen, vorderen Flossen und großen Augen dargestellt. Die spitze Nase diente zugleich als tödliche Waffe. Das Holz hat eine wunderschöne Patina, und zahlreiche Risse, Kerben sowie eine Brandstelle zeugen von einer langen, bewegten Vergangenheit.

Weitere Beispiele für Toko-Toko - Kriegskeulen:  [Tafel 8] 
(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Carolina Barahona Geisse, Santiago de Chile)

Moai Piro-Piro


Die Kolossalfiguren findet man erstaunlichweise eher selten als Holzminiaturen. Es gab allerdings in der Geschichte Rapa Nuis einige wenige Künstler, die sich auf Holzschnitzereien der großen Steinmoais spezialisiert hatten. Einer der bekanntesten war Ma'ma Ru, dessen detailversessene Miniaturen eine hohe Anerkennung erlangten. Er produzierte nie etwas in Serie, und so sind alle seine Schnitzereien Unikate. Seine Figuren verkaufte Ma'ma Ru nie, sondern verschenkte diese an Freunde und Verwandte. Obwohl er auch mehrere Schüler hatte, sind heute nur noch wenige Ma'ma Ru- Schnitzereien in privaten Sammlungen, wie auch im Kunstmuseum in Santiago zu finden.


Über die abgebildete Figur :

Diese Ma'ma Ru- Miniatur habe ich 2005 vom Centro Cultural Orongo in Hanga Roa ersteigert, welches wiederum 1951 in den Besitz der Figur gelangte. 1985 war der Moai Teil der Kunstausstellung Exposición de Arte Indígena in Santiago de Chile.
Die Miniatur stellt den größten, jemals bewegten Moai der Osterinsel, den Moai Piro-Piro dar. Das herrlich gemaserte Mako'i- Holz hat eine wunderschöne, dunkle Patina, wodurch es besonders im direkten Vergleich zu meinen neueren Mako'i- Schnitzereien eher wie ein braungeflecktes Elfenbein wirkt. Der Pukao ist - wohl aufgrund der ursprünglichen Form des Holzstücks - leicht nach vorne geneigt, was diese Schnitzerei sicherlich einzigartig macht.


Weitere Beispiele für Moai- Holzfiguren  [Tafel 9]  [Tafel 10] 
(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Carolina Barahona Geisse, Santiago de Chile)
Moai Piro-Piro, Copyright Karsten Rau

Moai Piro-Piro
Rapa Nui, 1951
Künstler : Ma'ma Ru
Höhe : 18 cm
Material : Mako'i- Holz
(Sammlung Karsten Rau)



Tahonga


Hierbei handelt es sich um einen etwa faustgroßen, ei- bzw. herzförmigen Anhänger, der vermutlich von höher gestellten Persönlichkeiten an einer Schnur über der Schulter oder vor der Brust getragen wurde. Heyerdahl vermutet dahinter ein Rangabzeichen und vergleicht ihre Form auch mit einer Kokosnuss. Die heute in diversen Museen stehenden Tahongas aus dem 19. Jahrhundert ähneln sich alle sehr. Die kugelförmige Oberfläche wird durch vier im für die Osterinsel typischen Bas-Relief- Stil geschnitzte Stege unterteilt. Aus dem oberen Ende ragen zwei Köpfe, die in entgegengesetzte Richtung blicken. Sie ähneln dem Kavakava- Typus und haben oftmals eine runde Erhöhung auf dem Kopf, was einen stilisierten Haarknoten darstellen könnte (ähnlich dem Pukao bei den Kolossalfiguren). Das Loch für die Aufhängeschnur wurde jeweils in den Steg zwischen den beiden Köpfen gebohrt.


Über die abgebildete Figur :

Ich habe diesen Tahonga 2007 von einem Sammler aus den USA ersteigert. Der frühere Besitzer arbeitete im Filmgeschäft und war 1993 im Zuge der Dreharbeiten zum Hollywoodfilm Rapa Nui für ein Jahr auf der Osterinsel. Von dort brachte er neben vielen anderen Schnitzereien auch diesen Tahonga mit. Beim Holz handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Mako'i, was auch der direkte Vergleich mit meinen anderen Mako'i-Schnitzereien vermuten lässt.


Weitere Beispiele für Tahongas  [Tafel 11] 
(Foto mit freundlicher Genehmigung von Carolina Barahona Geisse, Santiago de Chile)

Tahonga
Rapa Nui, vor 1994
Künstler : unbekannt
Höhe : 14 cm
Material : Mako'i- Holz wahrscheinlich
(Sammlung Karsten Rau)


Patuki


Ein Patuki ist ein kleiner Fisch, der in der felsigen Küste der Osterinsel lebt. Er wurde von den Osterinsulanern als Köterfisch für größere Fische, wie auch für Haie verwendet. Patuki- Schnitzereien sind eher selten, und so findet man in den Museen nur wenige alte Exemplare aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Ein Exemplar wurde z.B. vom deutschen Naturwissenschaftler Johann Reinhold Forster während Cook's zweiter Weltumsegelung (1772-75) erworben und befindet sich heute im Staatlichen Museum für Völkerkunde in Berlin.
Patuki- Schnitzereien symbolisieren die guten Zeiten Rapa Nuis, als die Osterinsulaner noch mit Fischreichtum und Nahrung im Überfluss gesegnet waren. Dafür steht auch der stark hervorgehobene, mit Eiern gefüllte Bauch des Fisches.


Über die abgebildete Figur :

Dieser Patuki war im Besitz desselben amerikanischen Sammlers, von dem ich auch den weiter oben beschriebenen Tahonga erworben habe. Beide brachte er von seinem einjährigen Aufenthalt im Zuge der Dreharbeiten zum Hollywood-Film "Rapa Nui" mit. Der Patuki ist relativ schwer und hat die für Rapa Nui- Schnitzereien typischen, eingelegten Augen aus Knochen und Obsidian. Das verwendete Holz ist unbekannt, hat allerdings eine schöne parallel verlaufende Maserung.


Weitere Beispiele für Patukis  [Tafel 12] 
(Foto mit freundlicher Genehmigung von Carolina Barahona Geisse, Santiago de Chile)

Patuki
Rapa Nui, vor 1994
Künstler : unbekannt
Länge : 36 cm
Material : Holz, Knochen, Obsidian
(Sammlung Karsten Rau)


Moai Hoa Hakananai'a


Moai- Miniaturen aus Stein werden heute in großer Zahl auf der Osterinsel hergestellt und als beliebte Souvenirs an Touristen verkauft. Die Qualität ist - dem Preis entsprechend - in der Regel eher bescheiden. Geht man allerdings ein wenig auf die Suche und ist zudem bereit ein klein wenig mehr zu bezahlen, so kann man durchaus auch einige wirklich schöne, kunstvoll gearbeitete Skulpturen entdecken. Der Qualitätsunterschied zwischen der Tourimassenware und einem hochwertigen Steinmoai ist auch für einen Laien auf Anhieb zu erkennen. Stimmige Proportionen, meisterliche Bearbeitung des Steins, detaillierte Ausarbeitung der Rückenpetroglyphen und natürlich ein passender Pukao sind eindeutige Merkmale für eine hohe Qualität (die allerdings auch ihren Preis hat). Letzterer ist aber auch ebenso stark von der Größe des Steinmoais abhängig.
Als Vorlage für diese Figur diente der Moai Hoa Hakananai'a, der im Britischen Museum in London steht. 1868 besuchte die H.M.S. Topaz die Osterinsel, entfernte zwei Moais, darunter den im Zeremoniedorf Orongo gefundenen Moai Hoa Hakananai'a, und brachte sie als Geschenk für die Königin Victoria nach England.
Der Moai Hoa Hakanani'a ist einer der wenigen Moais, der nicht aus dem weichen Vulkantuff des Rano Raraku, sondern aus hartem Basalt gehauen wurden. Aus diesem Grunde ist er auch noch in einem hervorragenden Zustand. Auf dem mit Petroglyphen reich verzierten Rücken erkennt man neben Vogelmänner (tangata manu), mehrere Zeremonialpaddel (Ao bzw. Rapa), Vulven (Komari), sowie eine Rußseeschwalbe (Manatura).


Über die abgebildete Figur :

Diese knapp 4 Kilogramm schwere Figur wurde aus grauem Vulkangestein gemeißelt. Der Pukao ist aus dem roten Tuff des Puna Pau - Kraters, das gleiche Material aus dem auch die Pukaos der Monumentalfiguren hergestellt worden sind.

Moai Hoa Hakananai'a , Copyright Karsten Rau

Moai Hoa Hakananai'a
Rapa Nui, ca. 1998
Künstler :
Höhe : 42 cm (mit Pukao)
Material : Stein, Pukao aus dem Tuff des Puna Pau
(Sammlung Karsten Rau)

Vergleicht man den Moai und hier insbesondere die Petroglyphen auf dem Rücken mit Fotos des originalen Moai Hoa Hakananai'a aus dem Britischen Museum [1] [2], so kann man eine frappierende Ähnlichkeit erkennen.


Weitere Beispiele für Moai- Steinfiguren  [Tafel 13] 
(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Carolina Barahona Geisse, Santiago de Chile)


Modernes Kunstschaffen


Auch heute noch ist die Holzschnitzkunst eines der wichtigsten Betätigungsfelder vieler Männer (seltener Frauen) auf Rapa Nui, und aufgrund des steigenden Tourismus können mittlerweile auch ganze Familien davon leben. Leider ist bei den Kunstobjekten aufgrund der zunehmenden Nachfrage eine Verlagerung von Qualität zur Quantität zu beobachten, um den Bedarf an minderwertigen Souvenir-Schnitzereien decken zu können. Pläne zur Wiederbelebung der alten Kultur mit Werkstätten, Seminaren, Wettbewerben und Kunstausstellungen sind noch in der Entwicklung, könnten aber - sobald diese greifen sollten - einen weiteren Verfall im Kunstschaffen Rapa Nuis verhindern.
Es gibt aber glücklicherweise auch eine Handvoll wirklich hervorragender Künstler, die sich über die Grenzen hinaus einen Namen gemacht haben, unter ihnen z.B Benedicto Tuki Tepano, Bene Tuki Pate oder Miguel Nahoe Avaka.


Über die abgebildete Figur :

Diese Figur wurde von dem berühmten Benedicto Tuki tepano geschnitzt, und ist im Stil des berühmten Ko Yetu Oramai, des auferstandenen Christus, gehalten, welcher heute in der Kathedrale von Maipú steht und ein Werk von Bene Tuki ist. Weitere ähnliche Figuren findet man auch in der Iglesia Santa Cruz in Hanga Roa, wie z.B. die Maria, Madre de Rapa Nui oder das Sagrado Corazon, welches ebenfalls von Benedicto Tuki Pate geschnitzt wurde.
Der dargestellte Christus ist - wie bei den vergleichbaren Werken - mit zahlreichen, für Rapa Nui typischen Symbolen verziert. So schmückt unter anderem eine Manutara- Krone das Haupt. Auf dem Korpus erkennt man mehreren Rongorongo- Schriftzeichen. Auch die Ausarbeitung des Gesichts zeigt einige Moai-typische Merkmale, wie z.B. die lange, gerade Nase, die zusammengepresste Lippen und das dominante Kinn.
Ich konnte die Figur 2006 von einem australischen Kunsthaus ersteigern.


Ko Jotefa, Copyright Karsten Rau

Ko Jotefa
Rapa Nui, 20. Jhd.
Künstler : Bene Tuki Tepano
Höhe : 43 cm
Material : Holz
(Sammlung Karsten Rau)




Auf der nächsten Seite gibt es ausführliche Informationen zu den verwendeten Holzarten, eine Aufstellung der einschlägigen Kunstliteratur sowie diverse Links zu interessanten Websites über das Thema.

Vorhergehende Seite  Zurück zur Hauptseite  Nächste Seite



Copyright 1999-2005   Karsten Rau   Letzte Änderung:   03. Nov. 2005